Wie ein reguliertes Nervensystem dir mehr Freizeit verschafft

von | 25. Jan 2024 | Entschleunigung

Wer hätte nicht gerne mehr freie Zeit für sich zur Verfügung? Einfach mal das Leben auskosten, die Seele baumeln lassen und nur tun, wonach uns ist. Beim Blick auf den vollen Terminkalender und die langen To-Do-Listen stellst du dir aber die Frage: „Woher soll denn die Zeit dafür bloß kommen?“. Wenn der Gedanke daran, dir irgendwie solche freien Zeiten in deinem ohnehin schon vollen Kalender freizuschaufeln, inneren Druck und Stress in dir auslöst, bist du hier genau richtig. Ich kann dir sagen: Es gibt eine Möglichkeit, wie du dir entspannt mehr Erholungszeiten in deinen Alltag einbauen kannst, ohne dass du dich an komplizierte Zeitmanagement-Tools oder knallharte Zeitpläne halten musst.

Alles, was du brauchst, ist dein Körper.

Bei meinem Coaching ist mir wichtig, Veränderungen auf eine nervensystemfreundliche Weise zu unterstützen. Dabei beziehe ich immer den ganzen Körper mit ein. Ein reguliertes Nervensystem hilft dir nicht nur dabei, dich leichter von alten Mustern zu befreien, es verhilft dir auch zu mehr Freizeit.

Das klingt komisch?

Ich gebe zu, dass die Verbindung zwischen unserem Nervensystem und dem positiven Effekt, mehr Freizeit zu haben, vielleicht erst auf den zweiten Blick ersichtlich wird. Darum möchte ich dir im Folgenden ganz konkrete Wege aufzeigen, wie Nervensystemarbeit dir stressfrei zu mehr freier Zeit verhilft, die du für das nutzen kannst, was dir Freude und Erholung bringt.

Wenn du lernst, dein Nervensystem wieder in Balance zu bringen, kannst du Zeit einsparen, deine Wahrnehmung von Zeit kann sich verändern und du kannst den Antrieb entwickeln, dir immer mehr von dem in dein Leben zu holen, das dir Freude bereitet.

Wie ein reguliertes Nervensystem uns Zeit spart

Prokrastination verhindern

Worum es geht: Steht eine leidige Aufgabe an, die uns zu viel Kraft kostet, uns überfordert oder mit negativen Erfahrungen verbunden ist, fangen wir oft an, kreative Ausreden dafür zu finden. Uns fallen lauter Dinge ein, die gerade viel wichtiger sind, und suchen regelrecht nach Gründen, warum es gerade wirklich nicht möglich ist, die Steuererklärung zu machen. Oftmals bringt uns diese Art Fluchtreflex aber nicht dazu, uns wenigstens um den Abwasch von gestern Abend zu kümmern. Stattdessen finden wir uns auf der Couch wieder, auf der wir stundenlang durch Social Media scrollen. Neben dem Druck der unerledigten Aufgabe führt Prokrastination dann häufig auch noch zu Selbstvorwürfen und Schamgefühlen.

Was dahinter steckt: Erzeugt die Bewältigung einer Aufgabe so viel Stress in uns, dass wir ihn nicht mehr kompensieren können, greift unser Nervensystem auf Bewältigungsstrategien zurück. Eine davon ist, den Fluchtmodus zu aktivieren und in eine angenehmere Tätigkeit zu fliehen. Aus Sicht des Nervensystems ist das eine sinnvolle Methode, um uns aus der Übererregung wieder herauszuholen. Im Vergleich zum Säbelzahntiger ist ein dringender Anruf bei einer Behörde allerdings keine echte Lebensgefahr, der wir entgehen können, indem wir fliehen. Der Anruf bleibt als unerledigte Aufgabe auf unserer To-Do-Liste stehen und bereitet uns Tag für Tag erneut ein schlechtes Gewissen. Das wiederum sorgt für zusätzlichen Stress und der Teufelskreis beginnt.

Was hilft: Unser Stresstoleranzfenster erweitern. Als Stresstoleranzfenster wir der Bereich bezeichnet, in dem unser Nervensystem Herausforderungen begegnen kann, ohne in die Über- oder Untererregung zu geraten. Die Größe dieses Fensters ist nicht vorgegeben, sondern kann durch die Arbeit mit dem Nervensystem Stück für Stück erweitert werden. Je größer das Stresstoleranzfenster wird, desto seltener wird es für uns notwendig sein, zu prokrastinieren, um einer Stresssituation zu entgehen. können wir durch Nervensystemarbeit die Gründe, die überhaupt erst zur Überforderung geführt haben, abbauen (z. B. die Angst vor Ablehnung bei einem anstehenden Verkaufsgespräch). Somit kommen wir schneller in die Umsetzung und sparen uns die Zeit fürs Prokrastinieren.

Perfektionismus abbauen

Worum es geht: Das Streben nach Perfektion kostet uns unnötig viel Zeit. Eine E-Mail, die schon längst fertig ist, lesen wir lieber zum 5. Mal durch, um ja keinen Fehler zu übersehen, bevor wir sie endlich abschicken. Die neuen Webseitentexte schlummern seit Wochen in der Datei „Webseitentexte_final_FINAL_final2_jetzt wirklich final.docx”, aber wir glauben, sie doch noch nicht veröffentlichen zu können. Immer gibt es etwas, das wir noch verbessern oder prüfen könnten. Die Liste an Beispielen ist lang. Was sie gemeinsam haben: Ab einem gewissen Punkt geht es nicht mehr nur darum, dass das Ergebnis nicht ausreichend ist. Wir handeln nur noch aus der Angst vor Ablehnung heraus und dem Gefühl, nicht gut genug zu sein.

Was dahinter steckt: Es ist ein natürliches Bedürfnis des Menschen, von unserem Umfeld akzeptiert und anerkannt zu werden. Das gibt uns Sicherheit (und danach streben wir alle) und hat uns früher vor dem Tod bewahrt. Schließlich wollten wir auf keinen Fall aus der Höhle geworfen werden, um uns dann allein durch den Wald schlagen zu müssen. Erleben wir aus unterschiedlichen Gründen einen Bruch in unserem Gefühl von Sicherheit, entwickeln manche von uns Perfektionismus als Bewältigungsstrategie. Wir versuchen dadurch die Kontrolle zurückzuerlangen und die Anerkennung unseres Gegenübers zu sichern. Indem wir alles perfekt machen (was natürlich selten möglich ist), können wir ja nicht mehr kritisiert und abgelehnt werden (so zumindest die Hoffnung). Über Kontrolle und Akzeptanz versuchen wir so, wieder in ein Sicherheitsgefühl zurückzugewinnen.

Was hilft: Das Gefühl von Sicherheit in uns selbst schaffen. Dadurch werden wir weniger abhängig davon, ob andere uns Sicherheit geben. Diese innere Sicherheit können wir durch ein reguliertes Nervensystem und die Zuwendung zu uns und unserem Körper erschaffen. Außerdem können wir auch hier durch Nervensystemarbeit alte Muster auflösen, die dafür gesorgt haben, dass wir Perfektionismus als Bewältigungsstrategie entwickelt haben. So fällt es uns leichter, Aufgaben schneller und entspannter zu erledigen.

Grenzen setzen

Worum es geht: Oft merken wir erst dann, dass unsere Grenzen überschritten wurden, wenn die negativen Auswirkungen für uns spürbar werden. Wir helfen bei einem Umzug mit und merken, dass uns in der nächsten Woche beim Ausarbeiten eines neuen Angebots die Energie ausgeht. Unser Nachbar kritisiert ungefragt unsere Entscheidung, uns selbstständig gemacht zu haben, obwohl er kaum etwas weiß zu dem Thema. Nachts liegen wir wach und grübeln darüber nach, ob er vielleicht Recht hat. Wir verschieben unsere eigenen Deadlines immer wieder, weil wir es einfach nicht schaffen „Nein“ zu sagen, wenn uns jemand um Hilfe bittet. Wenn unsere Grenzen überschritten werden, raubt es uns wertvolle Zeit. Wir handeln über unsere Energie hinaus, die wir anschließend langsam wieder aufladen müssen. Wir verbringen unsere Zeit mit Dingen, die wir nicht tun möchten, und unangenehme Gefühle rauben uns Zeit und Schlaf. Trotzdem fällt es uns schwer, andere auf unsere Grenzen klar hinzuweisen.

Was dahinter steckt: Manche von uns fangen aus einem dysregulierten Nervensystem heraus an, sich anderen gegenüber unterzuordnen und die eigenen Gedanken, Wünsche und Bedürfnisse zurückzuhalten. Diese Form des „unterwürfigen“ Verhaltens wird als Fawn Response bezeichnet. Wir nehmen die Konsequenzen in Kauf, die das Überschreiten unserer Grenzen hat, weil der Wunsch danach, es unserem Gegenüber Recht zu machen, größer ist als der Selbstschutz. Teilweise nehmen wir unsere eigenen Grenzen nicht einmal mehr bewusst wahr, was es noch schwieriger macht, diese zu benennen. Was wir möglicherweise stattdessen spüren, ist Erschöpfung, fehlende Auswegmöglichkeiten und vielleicht sogar das Gefühl, von anderen ausgenutzt zu werden.

Was hilft: Eigene Grenzen spüren und verkörpern. Wenn wir lernen, unser Nervensystem aus einer stetigen Über- oder Untererregung zurück in einen regulierten Zustand zu holen, können wir uns langsam von unseren Bewältigungsstrategien lösen. Dazu zählt auch das mangelnde Setzen von Grenzen. Zudem fällt es uns leichter, die eigenen Grenzen zu erkennen, wenn wir lernen, die Signale unseres Körpers wahrzunehmen und zu deuten. Ein reguliertes Nervensystem hilft uns auch dabei, unsere Grenzen regelrecht zu verkörpern und auszustrahlen. Dies kann dazu führen, dass andere Menschen unsere Grenzen beachten, ohne dass wir sie explizit benennen müssen. Durch das Setzen von gesunden Grenzen schonen wir nicht nur unsere Energie, wir gewinnen auch einen Teil unserer Zeit zurück.

Konzentrierter arbeiten

Worum es geht: Manchmal gehen uns Aufgaben mühelos von der Hand und an manchen Tagen sitzen wir gefühlt stundenlang vor dem leeren Papier. Wir haben uns eigentlich vorgenommen, eine wichtige E-Mail zu schreiben. Im Hinterkopf spukt aber die ganze Zeit der Gedanke an den Anruf herum, den wir unbedingt noch machen müssen. Ständig reißt uns etwas aus der Konzentration. Abends hätten wir die Zeit, um endlich an dem wichtigen, schon überfälligen Projekt zu arbeiten, aber die geistige Kapazität ist einfach erschöpft nach dem langen Tag. Die Deadline, die kontinuierlich näher rückt, setzt uns außerdem so unter Druck, dass einfach keine Ideen mehr kommen wollen.

Was dahinter steckt: Wir sind nicht zu jeder Zeit gleich motiviert, konzentriert, kreativ oder produktiv. Schwankungen sind normal und können sich bspw. nach der Tageszeit richten oder der körperlichen Verfassung. Es kann auch davon abhängen, was uns vor dem Erledigen der Aufgabe zuletzt passiert ist, unter welchen Umständen wir sie ausführen (müssen) und ob wir im Geiste schon mit der nächsten Aufgabe beschäftigt sind. Sind wir in einer dysregulierten Grundverfassung, führt dies noch schneller dazu, dass wir uns bei der Arbeit ablenken lassen, uns die Energie ausgeht, wir vor lauter Sorgen und Zeitdruck Blockaden entwickeln oder wir in einem kreativen Loch feststecken.

Was hilft: Ruhe in unseren Körper und Geist bringen. Ein reguliertes Nervensystem hilft uns dabei, uns zu entspannen und fokussierter, schneller und inspirierter zu arbeiten. Außerdem entwickeln wir einen Blick dafür, wann wir Energiehochs und -tiefs haben, welche Störfaktoren uns aus der Ruhe bringen und wie wir uns selbst wieder in einen entspannten Zustand zurückführen können. Anstatt uns im Kampf- oder Fluchtmodus zu verlieren oder gar in eine Starre zu verfallen, behalten wir einen kühlen Kopf und bleiben konzentriert. So bringen wir unsere Aufgaben entspannter zu Ende und sparen dabei auch Zeit.

Wie wir mehr aus unserer Zeit herausholen können

Bewusstsein fürs Hier und Jetzt schaffen

Worum es geht: Wir alle kennen die Tatsache, dass Zeit relativ ist. Wer schon mal in der Schlange vorm Damenklo verzweifelt warten musste, weiß, dass sich 5 Minuten wie eine Ewigkeit anfühlen können. Auf der anderen Seite können 5 Minuten wie im Flug vergehen, wenn wir in der Sicherheitskontrolle am Flughafen festhängen und das Boarding gleich startet. Besonders im stressigen Alltag erleben wir schnell, wie die Zeit an uns vorbeirast, während wir in unseren Gedanken versunken sind: „Was muss diese Woche noch erledigt werden und ist das in der Zeit überhaupt machbar? Was hat unsere Mutter eigentlich gestern mit ihrer Nachricht gemeint? Irre ich mich oder höre ich da einen versteckten Vorwurf raus?“. Wir bräuchten dringend eine Pause und wenn wir endlich eine haben, ist sie viel zu schnell auch wieder vorbei. So vergeht Tag für Tag und Woche für Woche und wir wissen nicht, wo die Zeit geblieben ist.

Was dahinter steckt: Ein sorgenvolles Gehirn verharrt häufig in der Vergangenheit oder der Zukunft. Auf der Suche nach möglichen Gefahren, geht es das bereits Erlebte durch und macht sich Gedanken über das, was noch kommt. Während wir mit solchen Gedanken beschäftigt sind, filtert unser Gehirn andere Informationen heraus. Alles gleichzeitig wahrzunehmen, wäre eine zusätzliche Belastung. So entgeht uns die Amsel, die es sich auf unserem Balkon gemütlich gemacht hat. Oder der sahnige Geschmack der Schokolode, die wir nebenher gegessen haben. Sorgenvolles Denken (und damit das Schwelgen im Gestern und Morgen) wird durch ein Nervensystem ausgelöst, das aus der Balance geraten ist. Aus einer inneren Unsicherheit heraus halten wir permanent Ausschau nach Gefahren.

Was hilft: Bewusstsein für das Hier und Jetzt schaffen. Dadurch können wir die gefühlte Zeit verlangsamen und den Moment mit allen Sinnen wahrnehmen. Solch eine Bewusstmachung ist Teil der Nervensystemarbeit. Dabei können kleine Check-Ins über den Tag verteilt einen großen Unterschied machen: „Wie geht es meinem Körper jetzt gerade in diesem Moment? Was kann ich sehen, wenn ich aus dem Küchenfenster schaue, während die Kaffeemaschine durchläuft? Wie fühlt sich die Sonne auf meinem Arm an, während ich den Müll rausbringe?“. Solche bewussten Verankerungen im Hier und Jetzt lassen die Zeit langsamer laufen. Das geht im Kleinen im Alltag, aber auch im Großen, wenn wir schöne Erlebnisse besonders intensiv wahrnehmen und innerlich abspeichern.

Neues erleben

Worum es geht: Wenn wir im Alltag in unserem täglichen Trott festhängen und die immer gleichen Routinen abhandeln, fließt du die Zeit unbemerkt an uns vorbei. Dann können Gedanken wie „Wo ist denn bitte diese Woche schon wieder geblieben?” in uns hochkommen. Manchmal sind wir so im Autopiloten unterwegs, dass wir uns im Auto beim Reinfahren in die Garage fragen, wie wir eigentlich nach Hause gekommen sind. Wir hängen in eingefahrenen Strukturen und immer gleichen Abläufen und Mustern fest. Getreu dem Motto „Und täglich grüßt das Murmeltier“ fühlen sich die Tage irgendwann immer ähnlicher an und das Zeitgefühl verschwimmt.

Was dahinter steckt: Wir nehmen Zeit gefühlt anders wahr, je nachdem, ob wir routinierte Aufgaben wie im Schlaf abarbeiten oder uns auf eine Sache konzentrieren, die wir zum ersten Mal machen. Auch das Abspeichern und Abrufen von Erinnerungen verläuft je nach Kontext unterschiedlich. Unsere Gedächtnisspeicher würden überlaufen, wenn wir jede Fahrt mit dem Fahrrad in die Stadt einzeln abspeichern würden. Wenn wir eines Tages aber mal versuchen würden, mit dem Einrad in den Supermarkt zu fahren, werden wir uns vermutlich noch nach Jahren daran erinnern können. Auch in diesem Kontext ist das Thema „Sicherheit“ relevant. Wenn wir immer dem gleichen Trott folgen, ist die Wahrscheinlichkeit in der Regel am höchsten, dass wir sicher sind. Immerhin sind wir mit den altbekannten Routinen bis heute am Leben geblieben. Durch den Drang nach Sicherheit entgehen uns aber wertvolle Möglichkeiten, die Zeit zu verlangsamen.

Was hilft: Bewusst Neues erleben. Wollen wir die Zeit strecken und am Ende eines Monats sagen „Krass, dass gerade mal ein Monat rum ist”, können wir uns aktiv erste Male und neue Erlebnisse in unser Leben holen. Am besten funktioniert das aus einer inneren Balance und Sicherheit heraus. Ein reguliertes Nervensystem erleichtert es uns, uns mit unseren Bedürfnissen und Wünschen zu verbinden. Wir können leichter groß denken, neugierig und kreativ werden und sind offener für Inspirationen. Was gibt es alles, das wir unbedingt einmal erleben möchten? Was möchten wir gerne einmal ausprobieren? Was möchten wir sehen, hören, riechen, schmecken, spüren? Körperarbeit kann uns auch dafür öffnen, auf uns zu vertrauen und unsere Komfortzone Stück für Stück zu erweitern.

Regenerationszeiten mindern

Worum es geht: Endlich steht der Urlaub an und im Hotel angekommen sind wir einfach nur platt. Die ersten Tage brauchen wir erst einmal dafür, um unsere Energiereserven wieder zu füllen. Und wenn dann die Zeit beginnt, in der wir unseren Urlaub mit allen Sinnen genießen können, steht auch schon fast wieder der Rückflug an. Dann schleichen sich bereits die ersten Gedanken ein an die nahende Rückreise und Arbeit, die bald wieder ansteht. Am Ende haben wir das Gefühl, den Urlaub gar nicht richtig haben auskosten können. Den ersten Arbeitstag beginnen wir mit den Worten „Der Urlaub war schön, aber viel zu kurz“. Und nach wenigen Tagen sind wir wieder so sehr versunken in unserer To-Do-Liste, dass wir dringend mal wieder Urlaub bräuchten.

Was dahinter steckt: Regenerationszeiten sind essenziell wichtig für uns. Sie führen aber auch dazu, dass wir diese Zeit nicht in vollen Zügen genießen können. Um regenerieren zu können, benötigen unser Körper und Geist Ressourcen, die uns dann nicht anderweitig zur Verfügung stehen. Werden Regenerationszeiten immer häufiger nötig und die Energiereserven gleichzeitig nicht mehr vollständig gefüllt bis sie wieder angezapft werden, können wir in einen ungünstigen Kreislauf geraten. Es wird immer schwerer für uns, einen ausreichenden Energiestand aufrecht zu erhalten. Und wir entwickeln die Sorge vor neuen Belastungen (in diesem Beispiel die anstehende Arbeit), was uns zusätzlich stresst. Das ewige Überstrapazieren der Energiereserven wird somit zu einer Herausforderung für unseren Körper und Geist.

Was hilft: Unseren Energiehaushalt ausgleichen. Wenn wir uns durch Nervensystemarbeit unserem eigenen Körper zuwenden, können wir schon im Alltag dafür sorgen, dass unser Energiehaushalt ausgeglichen ist. Wir lernen Warnsignale frühzeitig wahrzunehmen, um einem Energietief rechtzeitig gegenzusteuern. Außerdem erforschen wir, was uns im Leben Energie schenkt oder raubt. So können wir darauf achten, stärkende und energiegebende Elemente aktiv in unser Leben zu integrieren. Für energiesaugende Menschen, Umstände oder Tätigkeiten hingegen können wir entsprechende Strategien entwickeln, um diese zu reduzieren. Dadurch brauchen wir seltener Regenerationszeiten und können die frei gewordene Zeit energiegeladen für etwas anderes nutzen.

Wie wir uns mehr Freizeit verschaffen

Bedürfnissen nachgehen

Worum es geht: Wenn wir im Alltag stark eingebunden sind und den Blick für uns selbst verlieren, kann es dazu führen, dass wir am Ende des Tages froh sind, wenn wir einfach nur die Füße hochlegen können. Schnell finden wir uns dann in altbekannten Abläufen wieder. Wir schauen uns einen Film an oder scrollen durchs Internet. Freie Wochenenden werden dafür genutzt, endlich den Garten auf Vordermann zu bringen oder die Winterkleidung auszusortieren. Dafür bleibt ja sonst nie Zeit. Wir haben den Blick auf das gerichtet, was zu erledigen ist, und die restliche Zeit sind wir so erschöpft, dass unsere Couch zu einem verlockenden Begleiter wird. 

Was dahinter steckt: Sind wir erschöpft vom Alltag, ist es für uns leicht, auf Routinen zurückzugreifen. Zu überlegen, wie wir die freie Zeit nutzen möchten, kostet manchmal Energie, die wir nicht mehr haben. Also machen wir das, was wir immer schon gemacht haben. Woche für Woche, Monat für Monat. Dabei ist das, was wir machen, nicht unbedingt das, was unser Körper und Geist gerade wirklich am meisten braucht. Vielleicht ist es eher das kreative Ausleben eines Hobbies, das Lernen von etwas Neuem oder der Ausbruch aus dem Alltag, indem wir etwas ausprobieren, das wir sonst nicht tun.

Was hilft: Bedürfnisse wahrnehmen und stillen. Der wichtigste erste Schritt ist zu lernen, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. Durch die Arbeit mit dem Körper und dem Nervensystem entwickeln wir einen achtsamen und liebevollen Blick für das, was wir gerade, jetzt in diesem Moment, brauchen. Ist es wirklich immer wieder die gleiche Abendgestaltung? Oder wäre es nicht doch schön, sich mal bei diesem Buchclub anzumelden, der sich jeden Donnerstag trifft? Daraus können sich auch größere Wünsche entwickeln. Ist der Antrieb, die eigenen Bedürfnisse zu stillen, erst einmal da, werden wir auch eher aktiv Wege suchen, diesen Wünschen nachzugehen. Wir fangen an, Ausschau zu halten nach interessanten Veranstaltungen, spannenden Erlebnissen oder neuen Hobbies. Sobald wir konkrete Wünsche ins Auge gefasst haben, sind wir motivierter, dafür auch Zeit freizuräumen.

Prioritäten setzen

Worum es geht: Wenn wir uns entscheiden müssen, ob wir selbst oder etwas anderes Vorrang haben, können wir in einen inneren Konflikt geraten. Am liebsten würden wir an unserem freien Samstag endlich mal richtig ausschlafen. Unsere Nachbarin fragt uns aber, ob wir früh morgens mit ihrem Hund rausgehen könnten. Eigentlich bräuchten wir dringend Ruhe und eine Auszeit. Ein paar Nächte allein in einem Hotel würden uns bestimmt guttun. Bei dem Gedanken daran plagt uns aber ein schlechtes Gewissen gegenüber unserem Partner und den Kindern. Am Ende überlegen wir uns, ob dass wir dieses eine Mal noch zurückstecken, aber uns ganz bestimmt demnächst um uns selbst kümmern werden.

Was dahinter steckt: Sich selbst an erste Stelle zu stellen (und damit zwangsläufig alle anderen hinter sich), ist etwas, das für viele Menschen eng mit dem Gedanken „Ich möchte nicht egoistisch sein” verbunden ist. Gerade sensible Menschen tappen schnell in die Falle, sich für andere „aufopfern” zu wollen. Wir möchten gefallen, fühlen uns vielleicht verantwortlich oder sind im Glauben, es nicht Wert zu sein, uns selbst zur Priorität in unserem Leben zu machen. Neben der Tatsache, dass solche Auffassungen auch gesellschaftlich geprägt sind, spielt hier auch unser Nervensystem eine Rolle. Die Angst, kritisiert oder zurückgewiesen zu werden, hemmt uns darin, uns ausreichend um uns selbst zu kümmern. Handeln wir nicht im Interesse anderer und passen uns an, riskieren wir, die vermeintliche Sicherheit im Außen zu verlieren.

Was hilft: Wertschätzung und Liebe zu sich stärken. Durch die Arbeit mit unserem Nervensystem stärken wir die wohlwollende Sicht auf uns selbst und unseren Körper. Wir nähren die Haltung, dass wir uns zuallererst um uns selbst kümmern dürfen – vor allem, wenn wir Energie und Kapazitäten haben möchten, um uns auch um andere kümmern zu können. Fangen wir erst einmal damit an, uns selbst höher zu priorisieren, fällt uns der Gedanke leichter, uns im Alltag Zeit für uns selbst freizuräumen. Getreu dem Motto „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg”, beginnen wir, mit gutem Gewissen aktiv nach Möglichkeiten zu suchen, diese Freiräume für uns zu schaffen.

Ressourcen entdecken

Worum es geht: Im vollen Arbeitsalltag haben wir oft das Gefühl, dass die Woche so vollgepackt war, dass gar keine Zeit für uns blieb. Schauen wir uns einzelne Tage an, stellen wir aber fest, dass durchaus immer mal wieder freie Lücken auftauchen. Hier und dort mal eine Viertelstunde oder ein paar Stunden am Abend. Vielleicht auch mal nur 5 Minuten zwischendurch. Trotzdem empfinden wir es rückblickend nicht so, dass wir viel Freizeit hatten.

Was dahinter steckt: Es gibt einen Unterscheid zwischen „freier Zeit” und „Freizeit”. Freie Zeit ist Zeit, über die wir frei verfügen können. Damit ist aber nichts darüber gesagt, wie wir diese Zeit füllen. Gerade im hektischen Alltag werden solche Zeiträume gerne verschluckt. Begleitet wird dies durch ein Gefühl von „Keine Ahnung, was ich in der Viertelstunde zwischen den Terminen eigentlich gemacht habe“. Das passiert besonders gerne, wenn diese Zeiträume kurz und über den Tag verteilt sind. Freizeit hingegen steht symbolisch eher für Zeit, die wir mit Freude, Genuss und Entspannung füllen. Schnell sehen wir solche Erholungsphasen als großes, manchmal unerreichbar scheinendes Ziel im stressigen Alltag an. Dabei liegt so viel Potenzial in den kleinen Auszeiten zwischendurch.

Was hilft: Blick für unsere Ressourcen im Leben schärfen. Gemeint sind damit Aspekte, die uns nähren, Energie spenden und uns mit Glück erfüllen. Das können innere Ressourcen sein wie Erinnerungen an schöne Erlebnisse, äußere Ressourcen wie Hobbies sowie andere Menschen(gruppen), wie der beste Freund oder unser Sportverein. Wenn wir also mit unserem Lieblingsgetränk in der Hand auf dem Balkon sitzen, unsere Beine in die Sonne strecken und dabei mit der besten Freundin in Urlaubserinnerungen schwelgen, haben wir gleich mehrere stärkende Ressourcen miteinander kombiniert. Wir können aber genauso gut in den 5 Minuten zwischen 2 Video-Calls unser Lieblingslied anmachen und dazu tanzen. Vielen von uns sind unsere eigenen Ressourcen nicht bewusst. Sie sind aber enorm wichtig für unser Wohlbefinden und das Füllen unserer inneren Akkus. Darum ist das Identifizieren und Nutzen von Ressourcen auch ein Bestandteil der Nervensystemarbeit. Je besser wir unsere Ressourcen kennen, desto gezielter können wir sie bewusst in unseren Alltag einbauen. Dadurch erleben wir Lücken im Tagesablauf nicht mehr nur als „freie Zeit”, sondern als „Freizeit”.

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